Blickwechsel Demenz

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Ältere Hände halten jüngere Hände

Netzwerk Menschen mit Demenz im Krankenhaus NRW

Das Netzwerk Menschen mit Demenz im Krankenhaus NRW ist eine landesweite Arbeitsgruppe, die sich 2009 im Rahmen des Projektes „Blickwechsel Demenz. Regional“ gegründet hat. Das Netzwerk bietet Mitarbeitenden nordrhein-westfälischer Krankenhäuser die Möglichkeit, sich über fachliche Fragen zur Versorgung von Menschen mit Demenz im Krankenhaus zu informieren und sich mit erfahrenen Kolleg*innen auszutauschen.

Das Netzwerk hat ein Selbstverständnis formuliert:

Verantwortung übernehmen für die Versorgung von Menschen mit einer Demenz im Krankenhaus

Als Ärztinnen und Ärzte, Pflegefachkräfte, Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftler, Betreuende und als pflegende Angehörige nehmen wir deutlich wahr, dass zunehmend ältere Patienten und damit auch immer mehr Patienten mit einer Demenz in Akutkrankenhäusern versorgt werden.

Unsere Erfahrung ist, dass diese Patienten besonders gefährdet sind und ein hohes Risiko besteht, dass ihre Gesundheitssituation und ihre Lebensumstände sich während und nach einem Krankenhausaufenthalt verschlechtern. Das Risiko kann reduziert werden, wenn sich Krankenhäuser dieser Patientengruppe verstärkt annehmen und deren besondere Bedürfnisse und Anforderungen berücksichtigen. Daran müssen und wollen wir mitarbeiten.

Wir setzen uns für eine Versorgung ein, in der Krankenhäuser als ein wichtiges Glied in der Versorgungskette Verantwortung für diese Patientengruppe übernehmen und ihr Möglichstes tun, um die Lebensqualität und die Selbständigkeit der Patienten zu erhalten. Einige Krankenhäuser in NRW und darüber hinaus haben die Initiative ergriffen und gehen neue Wege in der Versorgung von Patienten mit einer Demenz. Diese Krankenhäuser und die darin engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen wir unterstützen und gleichzeitig dafür Sorge tragen, dass alle aus den Erfahrungen lernen können.

Auf der Grundlage unserer Erfahrungen sehen wir die Herausforderung darin, flächendeckend demenzsensible Versorgungsstrukturen im Krankenhaus zu etablieren und empfehlen dabei die Orientierung an folgenden Eckpunkten:

  1. Ein sorgfältiges Aufnahmemanagement sorgt bei Patienten mit einer Demenz dafür, dass Krankenhausaufenthalte so weit wie möglich verhindert werden oder möglichst schnell wieder beendet werden.
    Patientinnen und Patienten mit einer Demenz werden nur dann stationär im Krankenhaus versorgt, wenn sich die therapeutischen und diagnostischen Maßnahmen nicht ambulant durchführen lassen. Das setzt ambulante Strukturen voraus, in denen die medizinische Versorgung dieser Patienten auch nachts oder am Wochenende gewährleistet ist. Ist der Krankenhausaufenthalt unumgänglich, werden weitere Umgebungswechsel vermieden und für eine möglichst schnelle Rückkehr in die gewohnte Umgebung gesorgt.
     
  2. Die Qualifikation der Versorgenden berücksichtigt die besonderen Anforderungen von Patienten mit einer Demenz.
    In allen Phasen eines Krankenhausaufenthaltes werden Versorgende aller Berufsgruppen tätig, die durch Aus-, Fort- und Weiterbildung befähigt sind, auf die besonderen körperlichen, seelischen und kognitiven Bedürfnisse der Patienten und ihrer Angehörigen einzugehen, die sie als Personen ernst nehmen und die sich in allen relevanten Fragen darum bemühen, sie einzubeziehen und ihre Autonomie respektieren. Dazu gehört auch die Befähigung der Versorgenden, Fixierungen möglichst zu vermeiden und nur nach Nutzung aller alternativen Maßnahmen, nach sorgfältiger Abwägung und unter Gewährleistung einer adäquaten Begleitung der betroffenen Patienten einzusetzen. Insbesondere Ärztinnen und Ärzte aller Fachrichtungen sowie Pflegefachkräfte kennen die Auswirkungen eines hohen Lebensalters und demenzieller Erkrankungen für die Behandlung und die Grenzen ihrer eigenen Kompetenzen.
     
  3. Die beteiligten Berufsgruppen arbeiten in Ergänzung und Anerkennung ihrer jeweiligen Kompetenzen und stimmen sich in der Versorgung ab.
    Die Mitarbeitenden der verschiedenen Berufsgruppen - Ärzte, Pflegende, Therapeuten, Betreuende und Begleitende – werden unter Anerkennung ihrer jeweiligen Kompetenzen und in intensiver Abstimmung zusammen tätig, um dem umfassenden Versorgungsbedarf der Patienten Rechnung zu tragen.
     
  4. Angehörige von Patienten mit einer Demenz sind in die Versorgung eingebunden und werden gestärkt.
    Angehörige (und dazu gehören auch betreuende Bezugspersonen) sind Partner in der Versorgung im Krankenhaus: Sie wissen in der Regel am besten über die Gewohnheiten und Besonderheiten der Patienten Bescheid und helfen durch ihre Beziehung zum Patienten dessen Vertrauen in die Versorgungssituation zu stärken. Diese Aufgaben können Angehörige jedoch nur übernehmen, wenn sie selbst von den Professionellen aktiv unterstützt und gestärkt werden, u.a. darin für ihr eigenes Wohlbefinden zu sorgen und ggf. dafür die Zeit des Krankenhausaufenthalts zu nutzen.
     
  5. Patienten mit einer Demenz stehen im Krankenhaus feste Bezugspersonen zur Verfügung.
    Das bedeutet: Patienten mit kognitiven Störungen haben im Krankenhaus feste Bezugspersonen, die sie während des Krankenhausaufenthalts begleiten und unterstützen und die ihnen helfen, sich in der fremden Situation zu Recht zu finden und aufgehoben zu fühlen. Dazu gehören die Angehörigen, aber auch Bezugspflegende, Betreuer/-innen und Begleiter/-innen mit den entsprechenden Erfahrungen und Ausbildungen.
     
  6. Das Umfeld im Krankenhaus ist an die Anforderungen von Patienten mit einer Demenz angepasst.
    Im Krankenhaus gibt es geeignete Räume und ein besonderes Betreuungsangebot, das den Bedürfnissen der Patienten nach Sicherheit und Wohlbefinden entgegenkommt, sie in der Strukturierung des Tages unterstützen und vor Gefahren schützen.
     
  7. Die Fähigkeiten und Ressourcen von Patienten mit einer Demenz werden gezielt wahrgenommen, aktiviert und mobilisiert.
    Eine an den individuellen Möglichkeiten dieser Patientengruppe orientierte Versorgung achtet darauf, dass die bestehenden Fähigkeiten eines Patienten sich selbst zu pflegen, zu kleiden, zu trinken, zu essen und zu bewegen gestärkt werden. Dazu stehen den Patienten qualifizierte Mitarbeiter zur Verfügung, die sich die Zeit dafür nehmen können, beispielsweise das sehr langsame aber eigenständige Waschen oder Essen zu begleiten und zu unterstützen.
     
  8. Die Kontinuität der Versorgung innerhalb des Krankenhauses und bei der Entlassung ist gewährleistet.
    Die Kontinuität der Versorgung von Patienten mit einer Demenz ist von der Aufnahme bis zur Entlassung und auch außerhalb des Krankenhauses gesichert und leitet ohne Brüche von einem Versorgungsschritt zum nächsten über. Dazu bestehen geeignete interne Informations- und Abstimmungsregelungen, sowie verlässliche und kontinuierliche Kooperationen mit vor- und nachversorgenden Institutionen und Einrichtungen. Die Patienten und ihre Angehörigen erhalten im Rahmen eines professionellen Entlassungsmanagements bereits während des Krankenhausaufenthaltes Hinweise und Informationen zu weiterversorgenden Einrichtungen, Informationen zu Unterstützungsangeboten im ambulanten Bereich und die Vorbereitung des Übergangs in die eigene Häuslichkeit.
     
  9. Das Krankenhaus verfügt über einen Experten für die Begleitung und Pflege von Menschen mit einer Demenz.
    Pflegerische und ärztliche Experten mit einer entsprechenden geriatrischen, gerontopsychiatrischer oder vergleichbaren Fachqualifikation, mit langjähriger Berufserfahrung und anerkannter Fachautorität sorgen für eine angemessene und kontinuierliche Qualifizierung und Unterstützung der Mitarbeitenden, sind Ansprechpartner für Betroffene und Angehörige und tragen dazu bei, dass Strukturen und Abläufe im Krankenhaus sich an den Bedürfnissen der Patienten orientieren.

Demenzkranke Patientinnen und Patienten sind mit ihrem individuellen Schicksal, ihrer Erkrankung und ihrer gesundheitlichen und sozialen Situation eine besondere Herausforderung für uns als professionell im Krankenhaus und der Gesundheitsversorgung tätigen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter: Sie führen uns an die Grenzen professionellen Handelns und fordern zugleich gerade den professionellen Umgang. Als Krankenhaus-Mitarbeiter/-innen und als Gesellschaft insgesamt können wir auch für unser berufliches Handeln von diesen Menschen lernen.

Düsseldorf, den 05.06.2012